Der Kulturbeirat tagt am 10. Oktober, kurz bevor sich ab dem 12. Oktober die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung zu Klausurtagungen für die Haushaltsplanberatungen zurückziehen. Die finalen Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses für Beschlüsse zum Haushaltsplan sind vom 15. – 17. November terminiert.
Die vollständigen Beratungsunterlagen zum Kulturhaushalt liegen auch den Stadtverordneten erst seit wenigen Tagen vor. Es gibt ihnen wenig Zeit, um sich ein qualifiziertes Urteil zu bilden und eine substantielle Stellungnahme für die Haushaltsklausuren der Fraktionen zu formulieren.
Wir empfehlen daher, die Haushaltsberatungen in vertretbarem Zeitrahmen zu verschieben, um insbesondere der verbesserten Einnahmesituation in der Debatte gerecht werden zu können.
Wir bitten die Stadtverordneten dringend, die folgenden Empfehlungen des Kulturbeirats zu berücksichtigen.
Es ist nun ersichtlich, dass drastische Kürzungen im Kulturbereich – wie auch in den anderen Bereichen der Stadtverwaltung – im Kämmererentwurf vorgesehen sind. Darüber hinaus sind freie und gebundene Projektmittel und Fördertöpfe des Kulturamtes zum überwiegenden Teil im Entwurf des Haushaltsplans gestrichen.
Der Kulturhaushalt beinhaltet Ausgaben für städtische Kultureinrichtungen mit gesetzlicher und vertraglicher Bindung – wie zum Beispiel Miet- und Arbeitsverträge. Da Kürzungen hier nicht schnell bzw. nicht in diesem Haushalt 24/25 möglich sind, werden sie sich stark auf den Bereich der sogenannten „freiwilligen Leistungen“ konzentrieren. Das heißt auf die institutionellen und Projekt-Zuschüsse für frei-gemeinnützige Kulturträger.
Anhand der Zuschüsse im Bereich Kulturförderung wird das Drohszenario plastisch und nachvollziehbar. Es ist weitaus drastischer, als bisher angenommen. Die Kürzungen beziehen sich rechnerisch auf den vorläufigen Abschluss des Haushaltsjahres 2022. Einige freie Träger haben aber bereits 2023 einen erhöhten Zuschuss erhalten. Zudem haben die geförderten freien Träger aufgrund der inflationsbedingten Kostensteigerungen und erhöhten Energieausgaben deutlich erhöhte Bedarfe ab 2024 angemeldet. Um also den realistischen Fehlbedarf zu ermitteln, müssen die Bedarfsanmeldungen für 2024 herangezogen werden.
Stellt man die konsolidierten Zuschussvorschläge des Haushaltsplans den Empfehlungen der Fachjury für die Zuschusshöhe der freien Träger gegenüber, zeigt sich ein Fehlbedarf, der 20% deutlich übersteigt. Er liegt in der Spitze bei bis zu 86,9% und im Durchschnitt bei rd. 25% für 2024 und rd. 30% für 2025. Dies gilt im Falle einer symmetrischen Kürzung.
Es sind jedoch ferner Kürzungen im Entwurf des Kulturhaushalts auf Posten angesetzt, die realistischerweise nicht gekürzt werden können, weil sie auf einer vertraglichen Bindung fußen – siehe z.B. Staatstheater Wiesbaden. Dies verschärft den Druck auf die freien Träger, die damit an die letzte Stelle rutschen
- Kürzungen bei den Zuschüssen der freien Träger haben fatale Konsequenzen. Kürzungen werden Arbeitsplatzabbau, Programmreduzierungen und Schließungen zur Folge haben. Mit der Bekanntgabe von Kürzungen ab 2024 stürzt die Stadtpolitik freie Kulturträger in unüberwindbare finanzielle Nöte, da viele Programmverträge und andere Verbindlichkeiten in den Ausgaben bereits abgeschlossen wurden.
- Was im Kulturentwicklungsplan formuliert und als Vorhaben per Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vereinbart wurde, findet sich schon kurz danach nicht mehr wieder: Es gibt keine Planungssicherheit und keinen Vertrauensschutz für die freien kulturellen Einrichtungen in der Stadt.
- Die bestehende kulturpolitische Förder- und Verteilungssystematik ist ursächlich für die aktuelle Problemlage. Die Kulturpolitik ist aufgefordert, mittel- bis langfristig eine zukunftsweisende Fördersystematik zu entwickeln, mit der alle anerkannten und seit Jahren erfolgreichen Kulturakteure gleichbehandelt werden – unabhängig davon ob sie in öffentlich-rechtlicher oder frei-gemeinnütziger Rechtsform aufgestellt sind.
- Da kürzlich bekannt wurde, dass sich die Prognose zur Einnahmesituation der Stadt um 170 Millionen Euro verbessert hat, hat sich auch die Grundlage für die Kürzungsdebatte massiv geändert. Die Kultur muss unbedingt von der verbesserten Einnahmesituation profitieren.
Der Kulturbeirat appelliert an die Stadtverordneten der Landeshauptstadt Wiesbaden
Die Kürzung des Kulturhaushalts – insbesondere der Kulturförderung der freien Träger – muss rückgängig gemacht werden.
Es darf ferner keine asymmetrische Kürzung in der Kulturförderung der Landeshauptstadt Wiesbaden geben, denn alle Einrichtungen stehen vor den gleichen Herausforderungen. Ist es nicht möglich, die Kürzungen zurückzunehmen, muss bei allen Ausgaben gleichmäßig gekürzt werden - unabhängig von vertraglicher Bindung und Trägerschaft der Einrichtung.