Online-Umfrage zur Situation der Altenhilfe unter Pandemiebedingungen (Teil 3)

Ein Beitrag von Dr. Petra Schönemann-Gieck.

Im Frühjahr 2021 beauftragte das GeReNet.Wi / Forum Demenz das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg mit der Durchführung einer Online-Erhebung zur Situation der Anbieter Wiesbadener Altenhilfe unter Pandemiebedingungen. An der Befragung nahmen 15 stationäre Pflegeinrichtungen, sechs ambulante Pflegedienste, 13 Beratungsstellen, eine Tagespflegeeinrichtung und sieben weitere Partner im Forum Demenz Wiesbaden teil.

Inhaltliche Schwerpunkte der fünf Befragungsabschnitte betrafen

A.      Herausforderungen und besondere Problembereiche in der Pandemie,

B.      Lösungen und Ideen der letzten Monate (Best Practice Beispiele),

C.      die besondere Situation von Menschen mit Demenz in der Pandemie,

D.      die Rolle von Angehörigen in der Pandemie und

E.      Erkenntnisse, Erfahrungen und Wünsche für die Zukunft.

Dieser dritte Teil der Ergebnisdarstellung im Newsletter stellt die besondere Situation von Menschen mit Demenz in der Pandemie in den Mittelpunkt.

Veränderungen bei den demenziell erkrankten Personen

Um einen Eindruck hinsichtlich der Auswirkungen der Pandemie auf demenziell erkrankte Menschen zu erhalten, wurde zunächst eine quantitative Abschätzung vorgenommen. Die Befunde zeigen, dass insgesamt 57 % der Befragten eine Veränderung im Verhalten von Menschen mit Demenz im Laufe der Pandemie beobachteten - ein knappes Fünftel nahm diese sehr deutlich wahr.

Art der Veränderung bei demenziell erkrankten Personen

Dabei wurde insbesondere eine Zunahme depressiver Symptome und Traurigkeit beobachtet. Weiterhin zeigten Menschen mit einer Demenz vermehrt ängstliche und nervöse Verhaltensweisen. Durch Isolation und fehlende Anregung im Alltag kam es teilweise sogar zu einem verstärkten Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit der Erkrankten, die sich auch in einer vermehrten Orientierungslosigkeit zeigte. Aufgrund der kognitiven Einschränkungen ist es für demenziell erkrankte Menschen schwierig oder unmöglich, ein Verständnis bezüglich der Hygienemaßnahmen (Maske, Quarantäne, Schutzanzüge etc.) aufzubauen und konsequent einzuhalten. Die fehlende Einsichtsfähigkeit kann von Verunsicherung, Angst und Ablehnung bis hin zu Zorn aufgrund des Unverständnisses der Situation führen. Daraus lässt sich unkooperatives und ablehnendes Verhalten der Erkrankten bis hin zu motorischer Unruhe, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit und Aggressivität erklären.

Eine besondere Herausforderung war die Einhaltung der Schutzmaßnahmen, deren Notwendigkeit den Erkrankten nicht nachvollziehbar und sinnvoll erschien und somit als Schikane erlebt wurde. Das Tragen von Masken erschwerte die Kommunikation und das Verständnis noch zusätzlich und die Schutzkleidung der Professionellen provozierten Verunsicherung und Angst.

Auch litt diese Zielgruppe in besonderem Maße unter dem fehlenden Körperkontakt. Die Pflegenden hatten noch weniger Zeit, individuell auf die Bewohnerinnen und Bewohner mit einer demenziellen Erkrankung einzugehen. Nähe und Berührung waren aufgrund der Abstandsregeln nicht möglich – auch dies konnte durch die Erkrankten nicht verstanden werden. Es wurde oftmals als rüdes Verhalten der Mitarbeitenden und Ablehnung der eigenen Person fehlgedeutet und teilweise mit Rückzug, ängstlichem, abwehrenden oder zornigen Verhalten erwidert.

Dass zu Beginn der Pandemie viele Angebote wie Begleit- und Besuchsdienst, Betreuungsgruppen, Tagespflege und nachbarschaftliche Hilfen nicht mehr angeboten wurden, verstärkte die negativen Folgen bei dieser Zielgruppe besonders gravierend und führte bei den Angehörigen vielfach zu völliger Überlastung und Verzweiflung. Es hat sich gezeigt, dass soziale Angebote eine deutlich stabilisierende Wirkung in einer Ausnahmesituation wie einer Pandemie haben. Diese Erkenntnis muss in Zukunft eine stärkere Berücksichtigung finden!

Der nächste Newsletter widmet sich der Frage, was aus der Pandemie gelernt werden konnte und welche Wünsche für die Zukunft bestehen.

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