Die häusliche Versorgung hilfe- und pflegebedürftiger älterer Menschen steht seit Jahren im Fokus. Grund hierfür ist ein demografisch bedingtes, sich zuspitzendes Dilemma:
Denn aktuell wird zwei Drittel und damit der Großteil pflegebedürftiger Menschen ausschließlich durch Familienangehörige versorgt. Lediglich bei etwa jedem fünften Pflegefall zusätzlich ambulante Pflege- oder Betreuungsdienste in die Versorgung involviert (Statistisches Bundesamt, 2024). Diese innerfamiliären Unterstützungsressourcen nehmen jedoch seit Jahren aus unterschiedlichen Gründen ab.
Zudem zeigen Zahlen des Deutschen Alterssurveys (DZA, 2016), dass diejenige Gruppe, die am häufigsten Pflegetätigkeiten übernimmt, die der 80 bis 85-Jährigen ist. Damit bewältigen aktuell mehrheitlich Personen (meist Frauen) die Pflege, die gesundheitlich eingeschränkt sind und selbst wenige Reserven besitzen. Kein Wunder also, dass es zunehmend zu Eskalationen häuslicher Pflegesituationen und Rettungsdiensteinsätzen mit sozialen Bedarfen kommt.
Was ist nun angesichts dieser Entwicklungen zu tun? Wie kann häusliche Pflege ohne Angehörige realisiert werden? Welche besonderen Bedarfe haben allein alternde Menschen?
Empirische Befunde zu dieser Bevölkerungsgruppe stammen überwiegend aus dem Englischsprachigen Raum. Die oft als „SoloAgers“ oder „Elder Orphans“ bezeichneten Personen zeichnet sich demnach durch eine deutlich erhöhte physische, psychische und soziale Vulnerabilität aus: Sie leiden häufiger unter Zukunftssorgen, Einsamkeit und Depressionen. Gesundheitliche Einschränkungen führen vermehrt zu Schwierigkeiten bei der Alltagsbewältigung, häufigeren Krankenhauseinweisungen und zu einem durchschnittlich früheren Umzug in stationäre Pflegeeinrichtungen.
Aufgrund des Fehlen eines Fürsprechers und Kümmerers besteht für diese Gruppe ein eingeschränkter Zugang zu Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen, ein höheres Risiko für Vernachlässigung und eine vermehrte Gefahr finanzieller Ausbeutung durch Fremde und Schwierigkeiten bei medizinischen Entscheidungen und Vollmachten. In den USA werden etwa 22 % der Personen ab 65 Jahren zur vulnerablen Personengruppe der SoloAgers/Elder Orphans gezählt.
Auch wenn bislang keine validen Daten aus dem Deutschsprachigen Raum vorliegen, bestätigen doch auch einige Befunde aus dem GereNETZ die besondere Situation sozial isolierter Personen. So zeigen im Verfahren Rettungsdienst gemeldete sozial isolierte Patient:innen signifikant häufiger Verwahrlosungstendenzen und Hinweise auf häusliche Unterversorgung.
Das GereNETZ wird sich dieser Personengruppe in Zukunft schwerpunktmäßig widmen. Dabei wird die Frage im Mittelpunkt stehen, in wieweit allein alternde Menschen gestärkt werden können, damit sie möglichst lange selbständig zu Hause wohnen bleiben können.
Dieser Beitrag basiert auf einer Präsentation im Beirat des GereNETZ im November 2024.