Freundschaften im Alter als sorgende Gemeinschaften

Ein Beitrag von Prof.in Dr.in Julia Hahmann

In Gemeinschaft und doch zu Hause altern – das wünschen sich viele Menschen und dennoch scheint es nicht so leicht, zu realisieren. Wenn der Partner oder die Partnerin verstorben ist, die Kinder nicht in der Nähe leben, viel arbeiten müssen oder es keine Kinder gibt, dann scheinen Isolation und Einsamkeit vorprogrammiert. Das ist natürlich nicht notwendigerweise zutreffend, aber zeigt, wie eng wir ein schönes und zufriedenes Altern davon abhängig machen, es im familiären Kreis zu verbringen. 

Dabei gibt es zahlreiche andere Menschen, die im Alter den Lebensalltag begleiten und unterstützen, z.B. Freundschaften, Bekanntschaften und Nachbarschaften. In der Forschung wird z.B. von freundschaftszentrierten Lebensweisen gesprochen, die dann auch darin münden können, dass Freundinnen und Freunde zeitweise oder langfristige Pflegetätigkeiten im Alter übernehmen. Freundschaften und andere sogenannte gewählte Beziehungen können familiäre Unterstützungssysteme ergänzen oder sogar ersetzen. Zum Beispiel übernehmen Nachbarschaften den Einkauf, helfen im Garten oder übernehmen den Treppenputzdienst. Auch im Betreuten Wohnen finden sich solche nachbarschaftlichen Unterstützungssysteme, wenn z.B. die Tageszeitung geteilt wird und der tägliche Austausch auch genutzt wird, um an die Medikamenteneinnahme zu erinnern. Freundinnen und Freunde haben häufig insbesondere für Notfälle feste Absprachen. So berichten in meinen Interviews Personen, dass sie mit dem Schlüssel die Wohnung der Freundin betreten dürfen, wenn diese über einen gewissen Zeitraum nicht erreichbar ist. Oder dass sie sich bei kleineren Krankheiten gegenseitig bekochen. Und natürlich sind Freundschaften nicht nur für schlechte Zeiten wichtig für den Lebensalltag älterer Menschen. Hier wird gelacht, ins Kino und zum Sport gegangen, der Urlaub gemeinsam verbracht, Geburtstage, Feiertage – all jene Dinge, die in gängigen Altersbildern an Partnerschaft und Familie geknüpft sind, erleben Menschen in Alter und Hochaltrigkeit in Freundschaften. Denn wie eine Interviewpartnerin sagte: „Ohne Freunde, das wär nix!“

Dennoch denken auch die Altersforschung, die Altenhilfe und Altenarbeit vor allem an Angehörige, wenn es um Fragen abseits von Geselligkeit und Zeitvertreib geht. Dabei sollte doch klar sein, dass unser aller Alltag aus vielen kleinen Begegnungen und Interaktionen besteht, die nicht notwendigerweise emotional eng sind. Dass alltägliche Zufriedenheit auch bedeuten kann, bekannte Gesichter zu sehen, ein kurzes Gespräch zu führen, Zugehörigkeit zu erfahren. Spätestens seit der Pandemie wissen wir, dass die Kontaktbeschränkung auf den eigenen Haushalt oder sehr wenige Personen unseren Alltag massiv verändert hat – und oftmals nicht zum Guten. Wie aber können wir Alter und Altern – in Anerkennung der Notwendigkeit von gesicherter Pflege und materieller Absicherung – so denken, dass wir Räume schaffen für diese nachbarschaftlichen, freundschaftlichen Kontakte? Wenn wir Sorge und Sorgen nicht mehr im Kontext der (Klein-) Familie denken, sondern es als kollektive Anstrengung verstehen, profitieren wir alle davon. 

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